Meine Geschichte – Kapitel 11

von | Jan 23, 2019 | Meine Geschichte | 0 Kommentare

Mehr zur Theologie des Segnens

– Der Körper erinnert sich, was der Geist nicht bewusst registriert oder er verdrängt hat. Gott kann unseren Körper reinigen, ohne dass das Geschehene bewusst gemacht werden muss. Er kann erstarrte Gliedmaßen, die ihre Aufgabe zum Weglaufen nicht erfüllt haben, in Bewegung bringen. Er kann Mut machen, ihren Mund zu einem Schrei zu öffnen, der beim Missbrauchsgeschehen zugefroren war. Das ist der Hintergrund für die oft geäußerte Aussage in der MF-Arbeit: Stochert nicht in der Vergangenheit herum, um herauszufinden, was geschehen war. Schaut jetzt auf euren Körper. Was sagt er euch? Wenn Gott ihn befriedet, dann können wir entscheiden, was wir unternehmen können:

Sagen, Ja, Herr, ich schaue es an oder Herr, ich übergebe dir, was geschehen ist; für mich ist jetzt dafür  nicht der richtige Zeitpunkt (1 Kor 10,13).

  • Das Blut Jesu reinigt uns von allen Ungerechtigkeiten, die andere an uns oder wir selber getan hatten (1Joh 1,8).

Meine erste persönliche Begegnung mit Katholiken fand auf einem Schiff bei meiner Heimreise von Surinam statt. Zwei junge Männer an Bord waren auf ihrem Weg zu einem Militärgefängnis. Sie erkundigten sich, was ich getan hatte und ich erzählte ihnen von meiner Arbeit als praktizierender Assistent in der Mission von Surinam. Sie fragten:

„Dann sind Sie so etwas wie ein Priester?“ Ich bestätigte es.
„Können Sie Beichte hören? Der Priester in Surinam wollte uns die Beichte nicht abnehmen, da er meinte, wir sollten zuerst ins Gefängnis gehen und dort könnten wir beichten“.

Als ich mit Kopfnicken meine Bereitschaft bekundete, ihr Geständnis entgegenzunehmen, hörte ich zu und sagte ihnen ausgehend von 1Joh 1,9: „Jesus hat euch vergeben“. Sie waren sehr erleichtert. Als wir in den Niederlanden ankamen, wurden sie ins Militärgefängnis gebracht. Sechs Wochen später versuchte ich, sie zu sehen. Ich konnte nicht, wurde jedoch in das Büro des Direktors eingeladen, um zu erklären, was ich wolle. Ich erzählte ihm, dass sie mich gebeten hatten, ihre Beichte zu hören. Der Direktor lachte:

„Es tut mir leid, dass Sie sie nicht sehen können. Schließlich verstehe ich jetzt, warum sie sich wie Lämmer verhalten haben…Sie gehören wirklich nicht hierher“.

Im Licht des Herrn wandeln

 Gott ist mit Licht umkleidet (Ps. 104,2). Adam und Eva wurden nach dem Bild Gottes geschaffen. Sie waren meines Erachtens „auch in Licht gekleidet wie in einen Mantel“. Als sie sündigten, fiel diese Hülle von ihnen ab und sie bemerkten, dass sie nackt waren. Jetzt sind wir gerufen ‚im Licht zu wandeln‘. Mir scheint, dass Gottes Licht wie eine Decke uns schützt vor den Angriffen auf unsere Seele oder den Geist. Sie können unseren Leib, unsere Emotionen schwächen, aber ich denke, dass sie unsere Seele oder den Geist nicht berühren können, wenn wir im Licht wandeln.

Ein Abt bat um ein Gespräch. Seine Mitbrüder hatten sein Selbstvertrauen tief verletzt, vor allem ein älterer Mönch.

„Soll ich weiterhin ihr Vorsteher sein?“

Ich konnte ihm keine hilfreiche Antwort geben. Diese musste er vom Herrn selbst bekommen. Ich begann ihn zu fragen, wo in seinem Körper er diese verletzenden Aussagen spürt. Er schaute verdattert drein.

„Eigentlich überall, wie mir scheint“, gab er zu.

Ich bat um eine Zeit der Stille und ermutigte ihn, das Licht Gottes durch seinen ganzen Körper fließen zu lassen, zu beten, dass der Herr ihn von diesen negativen Bemerkungen reinigt. Ich hielt meine Augen offen, um zu sehen, was geschehen würde. Ich stellte fest, dass sein Atemvorgang sich veränderte. Er wurde tiefer, intensiver. Dann schien er mit dem Atmen aufzuhören und sein Gesicht verriet Angst. Ich war neugierig, ob eine negative Erinnerung aufstieg. Ich machte ihm einfach Mut, indem ich sagte: „lass es geschehen“. Das dauerte ungefähr fünf Minuten. Dann öffnete er die Augen und lächelte. Er zeigte auf seinen Unterleib, wobei er sich an irgendwelche schmerzliche Ereignisse in seiner Jugend erinnerte. Ich fragte ihn, ob es zu schwer war, damit umzugehen, als er das Gesicht verzog aufgrund der tiefen emotionalen Qual. Er sagte:

„Nein, es geht, ich komme damit zurecht“. Ich segnete einfach seinen Mut und blieb still.

Nach fünf Minuten meinte er:

„Wow, das schenkt Erleichterung“. Wir sprachen nie mehr über das Problem. Er ging ermutigt in sein Kloster zurück.

Mächtiger Friede beim Segnen der Kisi-Teilnehmer und die Wirkung  auf Kinder und Jugendliche

Kisi ist ein österreichischer Verein (www.kisi.org), den ein katholisches Ehepaar vor zwanzig Jahren gegründet hat. Hannes und Birgit Minichmayr hatten beide Theologie studiert und wurden dann in Kinder- und Jugendarbeit tätig. Sie schrieben biblische Musicals und entwickelten den Verein zu einer internationalen Organisation Kisi (Kids Singing). Sie baten mich, die Leiter mit dem Segnen vertraut zu machen. In der Folge übten sie es selber mit den Kindern. 2013 feierten sie zwanzig Jahre ihres Bestehens. Kardinal Schönborn fragte sie während des Festivals: „Was bedeutet dieses Segnen, von dem ihr dauernd sprecht?“ Ein zwölfjähriger Bub nahm das Mikrofon und sagte: „Bevor wir irgendwo auftreten, segnen wir einander, nicht immer machen wir ein Kreuzzeichen oder so, aber immer sagen wir dabei: Ich segne dich in Jesu Namen. Wir ermutigen einander mit den Worten: Du schaffst diesen Auftrag oder was immer wir spüren, dass wir sagen können. Ich habe gesehen, wie junge Leute auch ihre erwachsenen Assistenten segnen und füreinander beten.

Im Herbst 2015 bat mich manchmal Bischof Turnovsky, Verantwortlicher für die Jugendarbeit, als spiritueller Leiter von Kisi, Gottes singenden Kindern, zu arbeiten. Es schien, als würde ich in der letzten Lebensspanne meines Lebens mit ihnen zusammen sein. Leider gab es einen scharfen Schnitt aufgrund meiner Gesundheit, die mich nach Holland zurückversetzte.

Die Willenskraft segnen

 Der Wille wird in der Bibel oft im Zusammenhang mit dem Hals bzw. mit den „halsstarrigen Leuten“ erwähnt. Wir können vor allem den Willen segnen, damit er Kraft hat, heute auf dem Weg des Segnens aktiv zu sein. Es ist tatsächlich ein heilsamer Akt an den Menschen, wenn wir ihnen sagen: „Wir besprechen nur, was ihr besprechen wollt. Was sind jetzt eure Wünsche, damit  wir sie segnen können?“ Es ist für viele eine große Erleichterung, dass sie sogar sagen können, was sie nicht wollen, dass es geschieht. Das Ziel ist, sie dahin zu bringen, dass sie ihren Willen dem Herrn überlassen.

Wie erreichen wir das?

Vorausgesetzt, wir haben einen sicheren Zugang. Wir gehen mit Respekt an ein Individuum heran, für das Jesus Sein Leben gegeben hat. Achtung für die katholische Kultur ist somit erforderlich. Es ist nicht hilfreich, damit zu beginnen, wie Protestanten sagen: „Ich bin nicht einverstanden, dass du Maria  anrufst, für mich bei Jesus einzutreten“. Oder als Katholik zu äußern: „Ich lehne den individualistischen Zugang zum Herrn ab!“. Dieser Respekt war mir eine Hilfe, meine Zunge im Zaum zu halten, wenn etwas für mich fremd anmutete. Er half mir auch, zur protestantischen Kultur zurückzukehren, wenn ich dort Freunde oder Lehrer besuchte. Wahrheit ist wichtig, aber die Fähigkeit, die Wahrheit zu hören, setzt die Überlegung voraus, dass wir mit Menschen sprechen, die aus verschiedenen Kulturen kommen. Es gibt eine Wahrheit, der protestantische und katholische Christen zustimmen können: Es ist das Erlösungswerk Jesu.

Eine Theologie der Persönlichkeit, des Leibes und der Familie 

Papst Johannes Paul II. schrieb eingehend über eine Theologie der Person wie auch des Leibes und der Familie. Er fasste alte Wahrheiten zusammen wie folgt:

   –  Wir sind als Geist, Seele und Leib geschaffen, doch sind wir ein Wesen.

   –  Wir sind geschaffen, um mit anderen Menschen zusammenzuleben.

   –  Wenn wir heiraten, müssen wir offen sein für die Kinder, die Gott uns schenken will.

   –  Wir sollen in eine Familie hineinwachsen als Vater, Mutter und, wenn möglich, mit Brüdern und Schwestern.

   –  Wir sind geschaffen mit einem natürlichen Wunsch nach Treue, in welcher Kultur auch immer wir aufwachsen, nicht nur nach Aufrichtigkeit im Allgemeinen, sondern auch nach wahrhafter Treue in der Ehe.

   –  Wir sind geschaffen, neugierig zu sein, so dass wir Gedanken formulieren, die Vorfälle deuten, denen wir begegnen, Menschen einen Namen geben und Ereignisse benennen. In der biblischen Geschichte ist Adam der erste Wissenschaftler: Er gibt Namen den Tieren und sogar seiner Frau.

   – Sünde kam in die Welt und verletzte die Menschen. Gott sorgte mit seinem Heilsplan für einen Weg heraus.

Meine eigenen theologischen Überlegungen:

Ich kannte die katholische Auffassung nicht wirklich, entwickelte jedoch meine eigene ähnliche Methode als jemand, der vor allem mit traumatisierten Menschen arbeitete.  

– „Herr, ich segne diese Person mit deinem Frieden vom Kopf bis zur Sohle und alles dazwischen“. Das war besonders in Thailand wichtig, da ich keinesfalls über die Auswirkung von Missbrauch sprechen durfte, den die Frauen erlitten hatten.

– ‚Gute Worte‘ zu Körperteilen sagen führte häufig zu tiefer Ruhe. Oft bekam ich Rückmeldungen wie: „Als du mein Gehirn  gesegnet hast, geschah etwas Spürbares“.

–  Die Hirnforschung stieg vor 25 Jahren sprunghaft an und bestätigte wissenschaftlich, was ich im Glauben angenommen hatte, als ich begriff, was der Herr mir 20 Jahre davor gezeigt hatte.

–  Entdeckung der Spiegelneuronen, die ich oben beschrieb.

–  Meine Gedanken über die Wechselwirkung zwischen Psychologie und göttlicher Wahrheit.

–  Meine Anwendung dieser Kenntnisse über Psychologie.

–  Die Notwendigkeit von VERTRAUEN in einer beratenden Beziehung.

–  Die Notwendigkeit von Vertraulichkeit und Respekt für die einzelne Person.

   Am Beginn meines Dienstes in Österreich teilte mir ein Ehemann einmal ein echtes sexuelles Problem mit. Dann kam seine Frau und sprach über ihre Konflikte. Als ich einen Zusammenhang zwischen den beiden Problemen erkannte, machte ich den Fehler, dass ich der Frau die Probleme ihres Mannes verriet. Das führte zum Vertrauensverlust mir gegenüber…es hat viele Jahre gedauert, bis dieses Vertrauen wiederhergestellt war. Sie erklärten mir, „dass ich die Rolle eines Priesters hätte, auch ohne es zu sein, und sie nicht schätzten, dass ich mit meinen Versuchen, ihnen zu helfen, diese Vertraulichkeit aufs Spiel gesetzt hatte“. Wenn wir solche Fehler machen, zahlen wir einen hohen Preis, auch wenn wir es uns leid tut und wir unser Bedauern zum Ausdruck bringen. Die Wunden, die ich in meinem eigenen Empfinden verursachte, wurden geheilt, aber ´das Narbengewebe´ gab mir wieder die 

Warnung: Sei vorsichtig, Téo.

– Wenn Hilfe zu schwer wird wie z.Bsp.:

    °  Wenn jemand an die Grenzen des Helfens stößt,

    °  Wenn die gesundheitliche Situation des Beraters die Begleitung unmöglich macht, dann sollte eine besser ausgebildete Person herangezogen werden und man hat die Pflicht, sie auf eine langfristige (vielleicht) weltliche Hilfe vorzubereiten.

– Aufgrund der Tatsache, dass die christlichen Fundamente in der westlichen Kultur nahezu ausgehöhlt sind, glaube ich, dass wir Gläubige ausbilden müssen, gute Zuhörer, wache Beobachter zu sein, und sie wissen müssen, was sie tun können und was nicht. Letztendlich ist ein guter Nachbar besser als ein schwer zu erreichender und teurer Psychologe oder Psychiater.

Ärzte in Österreich

Einige Ärzte in Österreich erzählten mir von ihren Problemen im Umgang mit der Belastung hinsichtlich der Patienten, da die Versicherungsgesellschaften ihnen nur eine ganz kurze Zeit pro Patient zugestehen. Es gibt Menschen, die mehr davon brauchen. Ich schlug ihnen vor, auf ihre Patientenliste zu schauen, und dann wie folgt zu beten: ‚Herr, wem sollte ich nach deinem Willen mehr Zeit widmen? Dann geht ganz locker die Patientenliste durch. Einige brauchen nur wenige Minuten, anderen könnt ihr mehr Zeit schenken‘. Die Rückmeldung war überwältigend!

Bettina

 Mit strahlenden Augen begrüßt mich Bettina. Meine Assistentin erzählte mir, dass sie ein sehr schweres Leben hinter sich hatte und drei Jahre mit ihr gearbeitet hatte. Männer und Frauen hatten sie tief verletzt, auch sexuell. Das war alles, was ich von ihr wusste, als meine Assistentin wollte, dass ich mir eine eigene Meinung machte über ihren aktuellen Zustand. Es war das erste Mal, dass sie einen männlichen Berater zuließ. Da ich von ihrer Geschichte wusste, war ich etwas überrascht von ihren strahlenden Augen. Ihr Gatte unterhielt sich mit dem Mann meiner Assistentin. Wir suchten einen schattigen Platz auf, denn es war ziemlich heiß. Ich fragte nach ihrem Anliegen. Als ihr größtes Problem nannte sie die Angst und hoffte, dafür Hilfe zu bekommen. Sie sprach davon, wie sie ihre Zähne zusammenbeißt. Ich erläuterte ihr, wie sie ihre eigenen Gesichtsmuskeln segnen könnte und am Ende segnete ich ihre Hände. Sie streckte mir ihre Hände entgegen, aber ich spürte, dass ich sie nicht berühren sollte. Ich betete:

„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, komm, Herr Jesus, mit deiner Kraft in diese Hände“.

Ihre vorher entspannten Hände fingen plötzlich an zu zittern. Eine spürbare Kraft floss durch diese Hände. Dann berührte sie ihre Wangen. Nach einer Weile schaute sie auf und sagte:

„Das ist erstaunlich: ich kann wahrnehmen, wie mein Gesicht reagiert“. 

Das war das Tor für  ihre weitere Mitteilung, denn der Friede Gottes hatte offensichtlich ihren Körper berührt. Als ich sah, was geschehen war, wurde ich unrund und beschloss, sie zu stoppen. Ich hatte den Eindruck, dass sie ganz offen war, vielleicht sogar zu offen. In meinem Dienst kann jeder sagen, was er will, ich jedoch muss den Frieden Gottes spüren, so gut ich es wahrnehme. Wenn dieser Friede mich warnt: „Téo, du musst jetzt aufhören“, dann tue ich es. Im Nachhinein können sich die Klienten nämlich sehr schämen und sogar einen emotionalen Rückfall erleben, wenn ihnen bewusst wird, mehr gesagt zu haben, als sie wollten. Wenige Wochen später hörte ich von meiner Assistentin, dass ihr Zahnarzt überrascht war, da das Knirschen der Zähne verschwunden war. Bettina sprach davon, dass sie froh war, dass ich sie gestoppt hatte, weil ihr vorkam, mir gegenüber zu offen gewesen zu sein, da sie mich kaum gekannt hatte… Gott sei Dank konnte sie dann mehr mit meiner Assistentin sprechen.

Die Kultur des Missbrauchs (1):   

–  ein vom Überlebensmodus geprägter Lebensstil

–  eine dysfunktionale, gestörte Beziehung in der Verwandtschaft.

   Das Dreieck: (ein Täter, ein Opfer, ein gestörter ´Helfer´)

–  Vertrauensbruch,

–  Hilflosigkeit

–  Ein alles durchdringendes Schamgefühl

–  Traumatisierte sexuelle Entwicklung

–  Übertragung von Sündenfolgen durch Vorfahren (bis in die 3. und 4. Generation (Dt. 5,9) und die Sache der Epigenetik. Ich denke dabei an die Tochter einer Prostituierten, deren Mutter sie nicht wollte und sie deshalb zur Adoption freigegeben hatte. Ihre neuen Eltern standen tief im Glauben an Jesus. Sie erfuhr nie, wer ihre Mutter war. Mit vierzehn Jahren nahm ein  Freund sie in die Disco  mit. Das gefiel ihr sehr und sie geriet völlig in die negative Welt rund um diese Disco. Die Eltern bemerkten, dass dieses Mädchen Gene in sich trug, die vom Verhalten ihrer Eltern belastet sind. (Nicht nur ihre Mutter, sondern auch Großmutter und Urgroßmutter waren Prostituierte). Anfangs wuchs sie in einer positiven und gesunden Umgebung auf und diese vererbten Gene wurden nicht aktiviert. Nun kämpfte sie mit schweren Versuchungen in einer Art Nachwirkung, denselben Weg zu gehen wie ihre leibliche Mutter… Ich teilte ihnen mit, wie sie das Mädchen segnen können, ihr Schlafzimmer mit eingeschlossen, wenn es nicht zu Hause war. Ich sagte auch, wie sie um einen Schutzzaun beten können gegen dämonische Angriffe auf das Mädchen. Später ergriffen sie die Initiative, mit ihm gemeinsam zu beten. Sie hat zugestimmt, Befreiung in Anspruch zu nehmen und sie gingen zu Exerzitien. Dort war ein Priester, der ihr sowohl mit dem Befreiungsgebet als auch als weiser Berater Hilfe bot.

– Suizidale Gedanken stehen dem Wunsch zum Überleben gegenüber. Die meisten der schwer traumatisierten Personen hatten Erfahrungen mit Suizidbedrängnis oder dachten wirklich über Selbsttötung nach. Ich habe den Eindruck, dass sie bei suizidalen Vorstellungen teilweise wie innere Kinder reagieren, die auf der einen Seite eher den Tod wählen möchten, während sie andererseits das Leben wollen. In solchen Situationen ist es gewöhnlich das Beste, sich so gut es geht in der örtlichen Umgebung Unterstützung zu holen.

   – Viele Überlebende des Missbrauchs haben mir berichtet, wie sehr sie die Stille in der katholischen Liturgie lieben, die Möglichkeit, einfach da zu sitzen ohne irgendwelche Überraschungen. Vor allem sind es die uralten Zeremonien, die so bekannt sind, dass man sie „einfach nur ablaufen lassen“ muss.  Man braucht nichts zu tun, wenn man es nicht will.

Wachstumsprobleme in der persönlichen Entwicklung

 – Meine Entdeckung der Kultur des Missbrauchs half mir, Menschen besser zu verstehen: Es ist eine Tatsache, dass wir “ durch Osmose“ lernen, wie man in einer Kultur lebt. Vergleichbar mit der Luft um uns, die wir ein- und ausatmen, ohne bewusst daran zu denken.

– Die Kultur des Missbrauchs stellt ein Problem für die weitere gesunde Entwicklung dar. Es ist eine normale Reaktion auf sehr unnatürliche Situationen, in denen man aufwächst.

– Wenn eine Person in einer Kultur aufwächst, kann dort ein traumatisches Ereignis eintreten. Das Trauma verursacht einen Bruch im Wachstumsprozess: Meine Lehre besagt in einem Vergleich: Menschen sind wie ein Diamant mit verschiedenen Seiten. Wird eine Person traumatisiert, bleibt ein Teil ihres Gehirns auf Zeit eingefroren. Das erklärt kindliche Reaktionen unter Erwachsenen, wenn sie miteinander streiten. Andere verwenden dafür das Bild des „inneren Kindes“.

– Meine Entdeckung von eigenen verschiedenen emotionalen Altersstufen aufgrund der emotionalen Verletzungen im Zweiten Weltkrieg         und ihrer Auswirkungen. Im Blick auf mein eigenes Leben fand ich eine ganze Reihe von verschiedenen ‚emotionalen Altersstufen‘: Einem Kinderheim vergleichbar mit den entsprechenden dazugehörenden Problemen  von unterschiedlichen Kinder-Anteilen, die einander nicht mögen oder das ‚innere Kämpfen‘ eines schwächeren Teiles. Ich bat den Ältesten, mir zu helfen. Seine Antwort lautete:

„Was möchtest du, dass ich tue?“

Ich erklärte ihm, dass ich eine wichtige Beratungssitzung hätte und meine ganze Aufmerksamkeit diesem Klienten schenken möchte, statt den inneren Lärm der verschiedenen Stimmen in meinem Gedanken zu hören. Der Lärm macht es mir schwer, mich auf meinen Klienten zu konzentrieren. 

„Kannst du die ‚innere Familie‘ auf Erholung schicken, sodass ich voll bei meinem Klienten sein kann?“.

„Okay“,

war die Antwort. Seither gelingt es mir viel besser, mich zu konzentrieren. Dieser Älteste der inneren Familie wurde ein Teil meiner Funktion des Erwachsenen und auf diese Weise konnte ich es mit den übrigen Anteilen der ‚inneren Familie‘ machen. Es gab einen Vorfall 2013 in Indien, als ich an einem Riesenrad bei einem indischen Festival vorbeikam. Eine innere Stimme äußerte plötzlich den Wunsch, damit zu fahren. Das Problem war nur, dass es nicht eingeschaltet war und es keinen gab, der es in Betrieb nahm. Ich sagte das halblaut zu mir selbst. Dann kam es zu einem gewaltigen innerlichen Protest. Meine Füße wollten auf dem Boden aufstampfen und die Stimme sagte:

„Ich wollte (aber) einsteigen!“

Ich lachte, als ich den achtjährigen Buben als Mitglied der inneren Familie erkannte, und klärte ihn auf: Es ist außer Betrieb. Wir können nicht fahren. Er erwiderte:

„Dann will ich wenigstens mit einem Schlitten den Hügel hinunterfahren“. Ich lachte herzhaft und laut auf mit den Worten:

okay, wenn wir zurück sind in Österreich, werden wir es tun, das verspreche ich.

Dann schwieg die innere Stimme…Ich wandte mich an den Herrn: „Herr,  über diesen achtjährigen Buben habe ich so oft schon in meinen Seminaren gesprochen. Warum wird er nicht älter?“ Sofort kam die Antwort:

„Téo, du hast deinen Eltern nicht verziehen, dass sie Nazis waren“. Es schockierte mich, und ich war traurig darüber. Ich habe zum Herrn gesagt: „Herr, ich verzeihe Ihnen“.

–  Ich erzählte diese Geschichte ein Jahr später in Israel in einem Seminar für Traumabegleiter. Einer von den Teilnehmern fragte mich in der Pause:

„Wie alt ist denn jetzt dieser Bub, Téo?“.

Noch bevor ich nachdenken konnte, sagte ich: 15. Ich war erstaunt, warum ich das so gesagt hatte. Da fiel mir das Trauma ein, das ich in diesem Alter erlebt hatte: Ich litt an einer Blinddarmentzündung und nach heftigen Bauchschmerzen hörten sie plötzlich auf. Der Hausarzt raste mit mir ins Spital. Dort stellte man fest, dass der Blinddarm durchgebrochen war, und man musste 75 cm vom vereitertem Darm wegnehmen. Für 24 Stunden bekam ich nichts zu essen und zu trinken. Danach gab man mir einen Fingerhut voll Wasser pro Stunde zwei Tage lang. Ich habe nie mit diesem Trauma gearbeitet, so das war notwendig und habe das auch getan.

Während ich das schreibe, denke ich, dass der 15 jährige inzwischen erwachsen geworden ist…

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1) Kultur des Missbrauchs (Siehe Kapitel 6 in meinem Buch, Schluss mit dem Schweigen)                   

 

“Bless the Lord O my soul and all that is within me bless his holy name”

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