Meine Geschichte – Kapitel 8

von | Jan 2, 2019 | Meine Geschichte | 1 Kommentar

Teil 2 Mächtiger Friede

 Kapitel 8: Priesterseminar Leopoldinum im Stift Heiligenkreuz 

 Bischof Klaus Küng und Professor Dr. Karl Wallner, Rektor der Theologischen Hochschule von Benedikt XVI. in Heiligenkreuz, stellten für mich ein Programm zusammen, um für den Dienst in der katholischen Kirche gerüstet zu sein. Ich wurde herzlich aufgenommen in der Studentenschaft, die etwas erheitert war und sich fragte, was dieser alte Mann im Seminar machte. Ich erklärte einfach, dass Gott mich zum Priester berufen hat. Der älteste Seminarist im deutschsprachigen Gebiet, vielleicht sogar in der Welt, zu sein, war tatsächlich eine Erfahrung ohnegleichen. 

Die tägliche Feier der Frühmesse löste Beklemmung aus. Ich hatte schon vor mehr als zehn Jahren die Messe besucht, aber als Messdiener bei der Feier zu sein, ist noch einmal etwas anderes. Fast alle Studenten waren Katholiken von Kindheit an. Sie hatten als junge Ministranten in ihren Ortskirchen Dienst getan. Für sie waren die Gebete so vertraut, dass sie darüber nicht mehr nachzudenken brauchten, für mich dagegen war es eine intensive Erfahrung. Der zelebrierende Priester wird „Brot und Wein“ dem Herrn darbringen. Das Gebet, das „Brot und Wein“ in den Leib und das Blut Christi verwandelt, ist der Höhepunkt der Feier. Gleichzeitig musste ich viele kleine Einzelheiten beachten, wann und was wie zu tun war… Mit der freundlichen Hilfe meiner Studienkollegen gewöhnte ich mich an die täglichen Rituale. Der Direktor des Seminars, Dr.Lässer, war eine sehr anregende Person, noch dazu war er selber ein Spätberufener. Er war vorher Managementberater und erzählte uns von dem bemerkenswerten Weg, auf den der Herr ihn zur Priesterweihe führte.

 

Ich hatte in den Jahren davor gefragt, ob ich nicht „süchtig geworden sei, zu helfen“. Diese Ängste stellten sich als unbegründet heraus, denn ich vermisste die Beratung nicht. In der Studentenschaft spürten alle den Ruf des Herrn, als Priester im Zölibat zu leben, obwohl einige damit zu kämpfen hatten. Ich verspürte kein Bedürfnis, einzuschreiten und zu helfen. Es waren andere da, die das taten. Nur zwei typische Beratungssituationen sind aufgetreten, die aus besonderen Gebetsanliegen von Seminaristen in den zwei Jahren meiner Zeit im Seminar entstanden.

 

Ich liebte das Studium. Es machte richtig Spaß, an einem Singkurs teilnehmen zu müssen, um bei Bedarf in der Lage zu sein, Teile der Messe zu singen. Nach zwei Jahren Studium mit ungefähr dreißig Prüfungen, in der Mehrzahl zu theologischen Themen, war ich vorbereitet für die Weihe zum Diakon. Sie fand am 22. September 2013 im ehrwürdigen Stift Melk statt. Meine vier Töchter und viele meiner acht Enkelkinder waren bei der bewegenden Feier anwesend. Der Moment, als der Bischof mir die Hände auflegte, prägte sich mir tief ein. Ich frage mich noch, wie zehn Sekunden stillen Gebetes so lang sein können, wo so viel passiert. Im Geiste sah ich Jesus, wie er den Aposteln die Hände auflegt und dem heiligen Petrus den Auftrag gibt, die Kirche zu leiten. Diesen Auftrag gab er jedem, der nach ihm kam. Es war wie eine große Hand, die zu allen Zeiten sich bewegte, sobald einer diesen Auftrag erhielt, alle Jahrhunderte hindurch bis hin zu Bischof Küng und am Ende erhielt ich den Auftrag, ein Diakon in der römisch- katholischen Kirche zu sein. In diesen zehn Sekunden war mir, als legte Jesus selbst seine Hände auf mich…

 

Dass ich Priester werde, ist nicht möglich, weil meine Frau mich verlassen hat. Ich begann in Tulln an der Donau als ständiger Diakon in der Diözese St. Stephan zu arbeiten. Mit zwei Priestern fand ich mich jeden Morgen vor der acht Uhr Messe zum gemeinsamen Gebet ein. Diese Zeit beeindruckte mich sehr, weil wir den Herrn mit Liedern priesen und unser Breviergebet verrichteten.  Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich habe die Psalmen noch inniger als früher zu lieben gelernt.

 

Zusätzlich zur täglichen Messe war ich etwa für eine oder zwei Beratungen pro Woche gefragt. Ganz wenige Personen kamen von auswärts, wenn sie in ihrer Bitte um Hilfe an mich verwiesen wurden, sei es von anderen Priestern oder von den vielen Kursteilnehmern, die unsere Seminare „Segnend helfen“ besucht hatten. Andere wiederum nahmen selbst an einem Seminar teil und wollten tiefer eindringen in ihre eigenen Belange, im Bemühen um ein Verhalten, wie es der Nachfolge Jesu entspricht.  

 

Ich teilte meine Zeit so ein, dass ich zur Hälfte der Ortskirche zur Verfügung stand und in der übrigen Zeit ‚irgendwohin in die Welt‘ gehen konnte. Ich war als Lehrer aktiv eingebunden in den verschiedenen Sommerschulen von ISARPAC. Im August 2015 ging ich als solcher zum letzten Mal nach Kolding (Dk), weil ich „von der Leitung“ abdankte und meine Rolle als Lehrer und Berater aufgab. Was ich gelehrt hatte, haben andere übernommen und es ist schön zu sehen, wie gut sie es machen.

 

Zusammen mit Marlis Resch, meiner österreichischen Co-Workerin und anderen Freiwilligen haben wir vier oder fünf Seminare pro Jahr in Österreich und Deutschland organisiert. Auch ging ich drei Mal in die USA. Das Hauptthema  meiner Lehre ist immer wieder „Der Friede Gottes, der unsere Herzen und unseren Geist bewahrt, sofern wir unsere Nöte mit Dank und Bitte vor Gott bringen“ (Phil 4,6-8). Worin besteht dieser Mächtige Friede wirklich? Warum ist der Mächtige Friede so wichtig für Überlebende des Missbrauchs? Wie kann der Leib von den entsetzlichen Traumata rein gewaschen werden? Löscht dieses Reinigen die Erinnerungen? Wie können hartnäckige Verhaltensmuster in neue Gewohnheiten, ja sogar in neue automatische Abläufe verwandelt werden? Das möchte ich in Teil 2 besprechen.

 

Lobe den Herrn, meine Seele, und alles, was in mir ist, seinen heiligen Namen!

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